Renaissance & Barock
Für die einen ist es das beste Lebensalter, die anderen nehmen es als Beschreibung für unzeitgemäße Verhältnisse, in denen hoffnungslose Rückständigkeit bedrohlich in die ach so fortgeschrittene Gegenwart ragt („Das ist doch finsterstes...!“): das Mittelalter. Als Epoche ist die Zeit nach heutigen Maßstäben sicherlich in manchen Aspekten grauenvoll. Hier wäre beispielsweise die Tatsache zu nennen, dass man nur mit sauberen Füßen über die schlammigen, unratverschmutzten und stinkenden Straßen der Städte kam, wenn man hölzerne Unterschuhe trug. Beim Betreten enger Gassen war größte Vorsicht geboten, wollte man nicht den zweifelhaften Segen aus Fenstern entleerter Müllbehälter oder Bettpfannen empfangen. Schlimmer noch das grauenhafte Arsenal mittelalterlicher Bestrafungsmethoden, von der Ehrenstrafe am Pranger bis zum Tod auf dem Scheiterhaufen.
Derart für moderne Augen und Nasen schauderhafte Tatsachen mittelalterlichen Alltags werden in der Rückschau meist von der Pracht mittelalterlicher Kunst und mittelalterlichen Kunsthandwerks überblendet und verschwindet im Schatten der beeindruckenden und alles überragenden Kulisse rund- bis spitzbogig durchbrochener Kirchenwände. Vielen ist nicht bewusst, welche Bedeutung das Mittelalter für unser heutiges Leben hat, wenn man die künstlerischen Errungenschaften außen vorlässt. Einige für uns selbstverständliche und teilweise heute noch modern verstandene Gegenstände und Einrichtungen sind tatsächlich Erfindungen des Mittelalters: mit der Brille tragen wir sozusagen das Mittelalter auf der Nase, mit Unterhose, Hose und Strümpfen ziehen wir es uns täglich an, mit der Schubkarre schieben wir es vor uns her und mit der Gabel sogar in den Mund. Erstaunlich wie „rückständig“ wir doch sein können!
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